Umsatzsteuerliche Organschaft im Insolvenzfall

Der Bundesfinanzhof hat in einem jetzt vom ihm entschiedenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ernstliche Zweifel am Fortbestand der umsatzsteuerrechtlichen Konzernbesteuerung (Organschaft) im Insolvenzfall geäußert. Für den Bundesfinanzhof ist es ernstlich zweifelhaft, ob die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Unternehmen durch die umsatzsteuerrechtliche Organschaft nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbesteht. Dies gilt gleichermaßen für die Insolvenzeröffnung beim Organträger wie auch bei der Organgesellschaft.

Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft führt zu einer Zusammenfassung mehrerer Unternehmen zu einem Steuerpflichtigen. Leistungsbeziehungen zwischen diesen Unternehmen werden nicht mehr besteuert. Die Konzernobergesellschaft (Organträger) ist Steuerschuldner auch für die Umsätze, die andere eingegliederte Konzerngesellschaften (Organgesellschaften) gegenüber Dritten ausführen. Soweit die Steuerschuld des Organträgers auf der Umsatztätigkeit einer Organgesellschaft beruht, steht dem Organträger ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen die Organgesellschaft zu. Die Organschaft soll nach ihrer gesetzlichen Konzeption der Steuervereinfachung dienen.

Im jetzt entschiedenen Streitfall wurde sowohl über das Vermögen des Organträgers als auch bei den Organgesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet und jeweils Eigenverwaltung angeordnet. Aufgrund der Eigenverwaltung gingen Finanzamt und Finanzgericht davon aus, dass die Organschaft fortbestanden habe. Danach hatte der Organträger die Umsätze der Organgesellschaften auch während des Insolvenzverfahrens weiter zu versteuern.

Dem trat der Bundesfinanzhof nun jedoch mit seinem -im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen- Beschluss entgegen. Danach ist es grundsätzlich zweifelhaft, ob die Organschaft im Insolvenzverfahren fortbestehen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter bestellt oder Eigenverwaltung anordnet.

Der Bundesfinanzhof begründet seine Entscheidung mit den aufgrund der Insolvenzeröffnung nur noch eingeschränkten Möglichkeiten zur Anspruchsdurchsetzung. So ist im Insolvenzverfahren des Organträgers die auf die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft entfallende Umsatzsteuer keine Masseverbindlichkeit und kann daher vom Finanzamt nicht durch Steuerbescheid gegen den Organträger festgesetzt werden. In der Insolvenz der Organgesellschaft ist der Organträger zudem nicht berechtigt, seinen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen die Organgesellschaft als Masseverbindlichkeit geltend zu machen. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren steht noch aus.

Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken1. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (AdV) gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt2. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen3.

Umsatzsteuerrechtlich begründet die Organschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Zusammenfassung der Unternehmen mehrerer Personen zu einem Unternehmen.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Erhebungsgebiet gelegenen Unternehmensteilen beschränkt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG). Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG).

Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 11 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 11 MwStSystRL führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer „Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen“4. Aufgrund dieser Verschmelzung hat der Organträger als Unternehmer die Aufgabe als „Steuereinnehmer“ für den gesamten Organkreis wahrzunehmen5.

Die Zusammenfassung zu einem Unternehmen führt dazu, dass der Organträger Steuerschuldner für alle Leistungen ist, die die Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten erbringen. So sind die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze dem Organträger zuzurechnen6. Leistungsbezüge der Organgesellschaft von Dritten werden dem Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum Vorsteuerabzug7. Leistungsbeziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft sind demgegenüber als Innenumsätze nichtsteuerbar und begründen kein Recht auf Vorsteuerabzug8. Die vom Organkreis geschuldete Steuer ist einheitlich in einem gegenüber dem Organträger zu erlassenden Steuerbescheid festzusetzen.

Organträger und Organgesellschaft sind aufgrund ihrer Stellung als Steuerschuldner (Organträger) und Haftungsschuldner gemäß § 73 der Abgabenordnung -AO- (Organgesellschaft) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Gesamtschuldner i.S. von § 421 BGB. Aufgrund seiner Steuerschuldnerschaft für die Umsätze des gesamten Organkreises steht dem Organträger daher zivilrechtlich ein Ausgleichsanspruch i.S. von § 426 BGB gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer zu, die auf ihre Umsatztätigkeit entfällt. Dieser Ausgleichsanspruch beruht nach der BGH-Rechtsprechung darauf, dass der Beteiligte am Organkreis, aus dessen Umsätzen die an das Finanzamt gezahlten Umsatzsteuerbeträge herrühren, im Innenverhältnis zwischen den dem Organkreis angehörenden Personen auch die Steuerlast zu tragen hat. Der BGH führt hierfür zutreffend an, dass die Umsatzzurechnung zum Organträger ohne zivilrechtlichen Innenausgleich dem Grundsatz der Belastungsneutralität widerspräche, da es sonst zu erheblichen Vermögensverschiebungen zwischen den am Organkreis beteiligten Rechtsträgern käme9. Ebenso würde der Grundsatz der Belastungsneutralität auf Unternehmensebene systemwidrig durchbrochen, wenn das Recht zum Vorsteuerabzug für die an eine Organgesellschaft erbrachten Lieferungen und Leistungen zivilrechtlich dem Organträger zugewiesen würde10. Somit erfolgt die Verteilung von Umsatzsteuerlast und Vorsteuerabzugsrecht gleichermaßen nach dem Verursacherprinzip11.

Gegenstand des Ausgleichsanspruchs ist dabei ein Saldobetrag, der sich zu Lasten oder zu Gunsten der Organgesellschaft aus einer fiktiven auf die Organgesellschaft bezogenen Steuerberechnung ergibt12. Dementsprechend geht der BGH von einem Ausgleichsanspruch in Höhe des Betrages aus, der sich aus den „internen“ Umsatzsteuervoranmeldungen der Organgesellschaft nach Saldierung von Vorsteuerbeträgen und „Umsatzsteuerschulden“ ergibt13.

Führt z.B. die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt dazu, dass der Organträger zu einer Willensdurchsetzung in der Organschaft nicht mehr in der Lage ist und er daher den ihm gegen die Organgesellschaft zustehenden Ausgleichsanspruch aufgrund insolvenzrechtlicher Besonderheiten nicht mehr verwirklichen kann, entfällt die organisatorische Eingliederung und mithin die Organschaft14.

Anders als das Umsatzsteuerrecht bei der Organschaft fasst das Insolvenzrecht Verfahren mehrerer Personen nicht zusammen.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InsO kann das Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet werden. Dies gilt gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO auch für das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit wie z.B. einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft.

Das Insolvenzrecht enthält bislang keine Regelungen, die im Fall einer Konzerninsolvenz ein einheitliches Insolvenzverfahren für mehrere Konzerngesellschaften ermöglichen15. Sowohl hinsichtlich der Feststellung des Insolvenzgrundes als auch in Bezug auf die Abwicklung des Insolvenzverfahrens bleiben verbundene Unternehmen daher insolvenzrechtlich selbständig. Dabei scheidet die Bildung einer einheitlichen Haftungsmasse bestehend aus mehreren rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften aus, da ansonsten der unterschiedliche Umfang der Gläubigerrechte, wie sie im Verhältnis zu den einzelnen Insolvenzschuldnern bestehen, missachtet würde16. Die Insolvenz eines herrschenden Unternehmens erstreckt sich daher nach geltendem Recht nur auf dessen Vermögen, nicht dagegen auf das Vermögen seiner Tochtergesellschaften17. Die Vermögensmassen insolvenzfähiger Gesellschaften und Personen sind dementsprechend trotz konzernmäßigen Verbundes getrennt abzuwickeln18, so dass es keine Konzerninsolvenz gibt19.

Folge dieser insolvenzrechtlichen Einzelbetrachtung ist, dass Ansprüche, die zwischen den Personen bestehen, die umsatzsteuerrechtlich einem Organkreis angehören, im Insolvenzfall nur nach den allgemeinen insolvenzrechtlichen Regelungen geltend gemacht werden können. Daher ist zwischen Insolvenzforderungen (§ 38 InsO), die zur Insolvenztabelle anzumelden sind (§§ 174 ff. InsO), und bevorrechtigten Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zu unterscheiden. Dies gilt auch für die Ansprüche Dritter gegen die dem Organkreis angehörigen Personen. So bestehen auch für das Finanzamt im Insolvenzfall nach § 251 Abs. 2 Satz 1 AO keine Vorrechte, so dass es Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) ebenfalls nur als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit geltend machen kann20.

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Unternehmen durch die umsatzsteuerrechtliche Organschaft nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) fortbesteht. Dies gilt gleichermaßen für die Insolvenzeröffnung beim Organträger wie auch bei der Organgesellschaft.

Der insolvenzrechtliche Einzelverfahrensgrundsatz spricht gegen den Fortbestand der Organschaft bei einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers.

Der Bundesfinanzhof hat bereits für die nach der Konkursordnung bestehende Rechtslage entschieden, dass „eine Organschaft ausnahmsweise mit dem Konkurs des Organträgers enden kann, wenn sich der Konkurs nicht auf die Organgesellschaft erstreckt und der Konkursverwalter auf ihre laufende Geschäftsführung keinen Einfluß nimmt“21. Der Bundesfinanzhof hat hierfür insbesondere angeführt, konkursrechtlich sei zwischen dem Vermögen des Organträgers und dem Vermögen der Organgesellschaft zu unterscheiden. Während das Vermögen des Organträgers in die Konkursmasse falle, bleibe das Vermögen der Organgesellschaft konkursfrei. Die Umsatzsteuer aus den Aktivitäten der Organträgerin zähle zu den Massekosten oder Masseschulden, sei aus der Konkursmasse zu berichtigen und in einem an die Konkursverwalter des Organträgers zu richtenden Steuerbescheid geltend zu machen. Die Umsatzsteuer aus den Aktivitäten der Organgesellschaft sei nicht aus der Konkursmasse zu berichtigen und dementsprechend auch nicht in einem an die Konkursverwalter des Organträgers zu richtenden Steuerbescheid geltend zu machen22.

Unter der Geltung der Insolvenzordnung ist darüber hinaus zu beachten, dass das Finanzamt -bei Annahme eines Fortbestands der Organschaft- den sich für den Organkreis ergebenden Steueranspruch für Umsatztätigkeiten nach Insolvenzeröffnung nur insoweit durch Steuerbescheid gegen den Organträger festsetzen kann, als es sich um eine Masseverbindlichkeit des Unternehmers -hier des Organträgers- handelt.

Zwar ist der Umsatzsteueranspruch für eine Umsatztätigkeit nach Insolvenzeröffnung Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da es sich um eine „durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet[e]“ Verbindlichkeit handelt23. Dies gilt aber nur für den Umsatzsteueranspruch aus der eigenen Umsatztätigkeit des Organträgers, nicht aber auch für den Umsatzsteueranspruch, der auf die Umsatztätigkeit seiner Organgesellschaften entfällt. Denn die Umsatzsteuer für die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft gehört nicht zur Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse, die sich auf das rechtlich eigene Vermögen des Organträgers bezieht und sich nicht auf das Vermögen der Organgesellschaften erstreckt. Insolvenzrechtlich bestünde daher für das Finanzamt allenfalls die Möglichkeit, einen auf die eigene Umsatztätigkeit des Organträgers beschränkten Steuerbescheid zu erlassen und die Organgesellschaft als Haftende nach § 73 AO in Anspruch zu nehmen. Dies ist mit dem umsatzsteuerrechtlichen Grundsatz der organschaftlichen Unternehmenseinheit nicht vereinbar.

Im Hinblick auf die sich aus dem Insolvenzrecht ergebenden Einschränkungen bestehen somit ernstliche Zweifel, ob der Bundesfinanzhof der im Schrifttum vertretenen Auffassung beipflichten könnte, nach der die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers für die Organschaft ohne Bedeutung sei24.

Der insolvenzrechtliche Einzelverfahrensgrundsatz steht auch einem Fortbestand der Organschaft bei einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Organgesellschaft entgegen.

Die Annahme eines Fortbestands der Organschaft trotz Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft führte dazu, dass der Organträger Steuerschuldner auch für die Umsatzsteuer bliebe, die auf Umsatztätigkeiten der Organgesellschaft nach Verfahrenseröffnung entfällt. Als „Steuereinnehmer“ für diese Umsatzsteuer kann der Organträger aber nur angesehen werden, wenn er zumindest dem Grundsatz nach in der Lage ist, den ihm aufgrund seiner Steuerschuldnerschaft zustehenden Ausgleichsanspruch gegen die Organgesellschaft auch durchzusetzen.

Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Organgesellschaft kann der Organträger seinen Ausgleichsanspruch nur durchsetzen, wenn dieser insolvenzrechtlich eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 InsO ist. Dies ist bei summarischer Prüfung zu verneinen.

Zwar ist der Umsatzsteueranspruch, der sich für eine Umsatztätigkeit ergibt, die eine Organgesellschaft nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen ausübt, eine Masseverbindlichkeit dieser Gesellschaft, wenn keine Organschaft bestünde. Dies gilt aber nicht für den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch des Organträgers gegen die Organgesellschaft im Fall des Fortbestehens der Organschaft. Der Ausgleichsanspruch ergibt sich weder aus einer Handlung des Insolvenzverwalters noch ist der Ausgleichsanspruch durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse der Organgesellschaft begründet (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO), die bei einem angenommenen Fortbestand der Organschaft nicht Steuerschuldner ist. Ist von einem Fortbestehen der Organschaft auszugehen, beruht der Ausgleichsanspruch vielmehr auf der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, nicht aber auf der Verwaltung der Insolvenzmasse der Organgesellschaft.

Der sich gesetzlich aus einem Gesamtschuldverhältnis ergebende Ausgleichsanspruch ist auch keine Verbindlichkeit aus einem gegenseitigen Vertrag i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Der Ausgleichsanspruch des Organträgers ist auch keine Verbindlichkeit „aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse“ gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Dies setzt eine unmittelbare Bereicherung der Insolvenzmasse voraus25. Zudem muss die Massebereicherung ohne rechtlichen Grund erfolgt sein26.

Zwar kann die Organgesellschaft, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steuerpflichtig Leistungen erbringt und hierfür Gegenleistungen bestehend aus Entgelt und Umsatzsteuer vereinnahmt, im Hinblick auf den Umsatzsteueranteil, der -bei einem unterstellten Fortbestand der Organschaft- vom Organträger zu versteuern ist, als unmittelbar bereichert angesehen werden. Diese Bereicherung erfolgt aber nicht ohne rechtlichen Grund, da die Organgesellschaft zivilrechtlich Inhaber des Anspruchs auf die -auch den Umsatzsteueranteil umfassende- Gegenleistung ist. Darüber hinaus ist die Organgesellschaft in Bezug auf die von ihr vereinnahmte Umsatzsteuer auch nicht herausgabepflichtig und somit im Verhältnis zum Organträger nicht ohne rechtlichen Grund bereichert, da sich der Ausgleichsanspruch zwischen Organträger und Organgesellschaft nicht auf eine vereinnahmte Umsatzsteuer, sondern auf den Saldobetrag bezieht, der sich bei einer auf die Organgesellschaft bezogenen (fiktiven) Steuerberechnung ergibt. Diese Eigenständigkeit des Ausgleichsanspruchs gegenüber der von der Organgesellschaft vereinnahmten Umsatzsteuer, schließt die Anwendung von § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO aus, zumal der BGH den Ausgleichsanspruch zivilrechtlich auf den Gesamtschuldnerausgleich, nicht aber auf Bereicherungsrecht stützt27.

Aufgrund dieser insolvenzrechtlichen Besonderheiten kommt es für den Fortbestand der Organschaft auch nicht darauf an, ob für die Organgesellschaft Eigenverwaltung (§ 270 InsO) angeordnet wurde und für einen im Rahmen der Eigenverwaltung tätigen Sachwalter (§ 274 InsO) besondere Befugnisse wie Kassenführung (§ 275 Abs. 2 InsO) und/oder Zustimmungsbedürftigkeit (§ 277 InsO) bestehen. Soweit demgegenüber nach dem Vorliegen derartiger Sonderrechte für den Sachwalter unterschieden und von einem Fortbestand der Organschaft für den Fall ausgegangen wird, dass Eigenverwaltung ohne Sonderbefugnisse für den Sachwalter angeordnet wird28 erfolgt dies ohne Berücksichtigung des insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatzes.

Wird über das Vermögen von Organträger und Organgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, ist aufgrund des insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatzes gleichfalls von einer Beendigung der Organschaft auszugehen. Hierfür ist unerheblich, ob das Insolvenzgericht für Organträger und Organgesellschaft denselben oder unterschiedliche Insolvenzverwalter bestellt29 oder ob es Eigenverwaltung anordnet.

Im Streitfall ist danach ernstlich zweifelhaft, ob die Organschaft über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus bestanden hat.

Diese Zweifel ergeben sich aus dem insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatz, den das Finanzgericht nicht hinreichend berücksichtigt hat. Auf die im bisherigen Verfahren streitige Frage, welche Bedeutung die Ausgestaltung der Eigenverwaltung hat, kommt es demgegenüber nicht an.

Im Hinblick auf die Eröffnung von Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstellerin -als bisherige Organträgerin- wie auch über die Vermögen ihrer Tochtergesellschaften -als bisherige Organgesellschaften- kann dabei offenbleiben, welches der Insolvenzverfahren zur Beendigung der Organschaft führt.

Ob die Fortdauer der Organschaft daran scheitert, dass die insolvenzrechtlichen Besonderheiten einer finanziellen und/oder einer organisatorischen Eingliederung entgegenstehen und/oder ob die Organschaft aufgrund der insolvenzrechtlichen Besonderheiten nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu verneinen ist, ist im summarischen Verfahren nicht zu entscheiden.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19. März 14 – V B 14/14

  1. ständige Rechtsprechung seit BFH, Beschluss vom 10.02.1967 – III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH, Beschluss vom 08.04.2009 – I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437 []
  2. vgl. BFH, Beschluss vom 07.09.2011 – I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II. 2. []
  3. BFH, Beschluss in BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II. 2. []
  4. EuGH, Urteil vom 22.05.2008 – C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr.19; zur Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen vgl. auch EuGH, Urteile vom 09.04.2013 – C-85/11, Kommission/Irland, UR 2013, 418 Rdnrn. 35 ff.; und vom 25.04.2013 – C-480/10, Kommission/Schweden, UR 2013, 423 Rdnrn. 33 ff. []
  5. BFH, Urteil vom 08.08.2013 – V R 18/13, BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747, unter II. 3.a, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung []
  6. BFH, Urteil vom 19.05.2005 – V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II. 2.a []
  7. BFH, Urteil vom 19.10.1995 – V R 71/93, BFH/NV 1996, 273, unter II. 2. []
  8. vgl. BFH, Urteil vom 17.01.2002 – V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, Leitsatz 2 []
  9. BGH, Urteil vom 29.01.2013 – II ZR 91/11, HFR 2013, 537, unter II. 2.b []
  10. BGH, Urteil in HFR 2013, 537, unter II. 2.c bb []
  11. BGH, Urteil in HFR 2013, 537, unter II. 2.d aa []
  12. vgl. zur Parallelfrage der Bestimmung des Haftungsumfangs der Organgesellschaft gemäß § 73 AO zutreffend Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Anhang 1 Rz 63 []
  13. BGH, Urteil in HFR 2013, 537, unter II. 3. []
  14. BFH, Urteil in BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747, unter II. 3.b []
  15. zur Reformüberlegung vgl. z.B. Siemon, Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung; das gesamte Verfahren der Unternehmens- und Verbraucherinsolvenz 2014, 55, und Verhoeven, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2014, 217 []
  16. vgl. Hirte in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 11 Rz 394 []
  17. Hirte in Uhlenbruck, a.a.O., § 11 Rz 395 []
  18. Maus in Uhlenbruck, a.a.O., § 80 Rz 34 []
  19. Peters in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2013, § 35 Rz 72; vgl. Ehricke in Jaeger, Insolvenzordnung, 2004, § 11 Rz 32 []
  20. vgl. BFH, Urteil vom 13.05.2009 – XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11, unter II. 2.a aa []
  21. BFH, Urteil vom 28.01.1999 – V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II. 1. []
  22. BFH, Urteil in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II. 1. []
  23. BFH, Urteil vom 29.01.2009 – V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II. 1. []
  24. so z.B. Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 411; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 135, und Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 1016, und Schmittmann, Zeitschrift für Steuern & Recht 2007, 191 ff., allerdings ohne Auseinandersetzung mit dem insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatz []
  25. Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., § 55 Rz 87, und Hefermehl, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2013, § 55 Rz 209 []
  26. Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., § 55 Rz 89, und Hefermehl, a.a.O., § 55 Rz 215 []
  27. BGH, Urteil in HFR 2013, 537; Ansprüche aus Bereicherungsrecht verneinen auch Pyszka/Hahn, GmbH-Rundschau 2010, 689 ff., 691 []
  28. OFD Hannover, Schreiben vom 06.08.2007 – S 7105-49-StO 17201.03.2, und dem folgend Birkenfeld, a.a.O., § 44 Rz 423; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 97, und Schmittmann, ZSteu 2007, 192 []
  29. zutreffend Roth, Insolvenzsteuerrecht, 2011, 476 f. im Hinblick auf den Grundsatz der Interessenwahrung des jeweiligen Gläubigerkreises; a.A. aber OFD Frankfurt a.M. vom 20.07.2009, UR 2010, 155, Tz.02.3; Birkenfeld, a.a.O., § 44 Rz 431, und Stadie, a.a.O., § 2 Rz 1012, und Schmittmann, ZSteu 2007, 192 f. []