Die Grenzen des coronabedingten Vollstreckungsmoratoriums

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Finanzbehörden das BMF-Schreiben betreffend „Steuerliche Maßnahmen zur Berücksichtigung des Coronavirus COVID-19/SARS-CoV-2“ vom 19.03.2020 nicht auf Vollstreckungsmaßnahmen anwenden, die bereits vor Bekanntgabe dieses Schreibens durchgeführt worden sind. Steuerschuldner, gegen die bereits vor Bekanntgabe dieses Schreibens vollstreckt worden ist, können um Rechtsschutz (nur) nach den allgemeinen Regeln (z.B. § 258 AO) ersuchen.

Zur Vermeidung unbilliger Härten gewährt die Finanzverwaltung Steuerpflichtigen, die von den Folgen der Corona-Pandemie besonders betroffen sind, verschiedene steuerliche Erleichterungen. Unter anderem soll unter bestimmten Voraussetzungen, die as Bundesministerium der Finanzen in seinem Schreiben vom 19.03.2020 „Steuerliche Maßnahmen zur Berücksichtigung des Coronavirus COVID-19/SARS-CoV-2“  festgelegt hat, bis zum Ende des Jahres 2020 von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werden. Diese Verwaltungsanweisung erfasst allerdings nicht bereits vor dem 19.03.2020 ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzbehörden.

In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren hatte die Steuerschuldnerin, ein in der EU ansässiges Unternehmen, erhebliche Steuerschulden, die bereits im Jahr 2019 festgesetzt worden waren. Aufgrund dieser Rückstände richtete jener EU-Mitgliedstaat ein Vollstreckungsersuchen an Deutschland. Das zuständige Finanzamt erließ daraufhin im Februar 2020 zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegen mehrere deutsche Banken, bei denen die Steuerschuldnerin Konten unterhielt. Hiergegen wendete sich die Steuerschuldnerin, und zwar u.a. mit dem Argument, aufgrund ihrer durch die Corona-Pandemie bedingten erheblichen Einnahmeausfälle müsse entsprechend dem BMF, Schreiben vom 19.03.2020 von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werden.

Anders als erstinstanzlich noch das Hessische Finanzgericht, das dem Steuerschuldner teilweise Recht gegeben hat1, wies der Bundesfinanzhof den AdV-Antrag nun jedoch ab: Im BMF-Schreiben sei von einem „Absehen“ von Vollstreckungsmaßnahmen die Rede. Das deute darauf hin, dass sich die Verschonungsregelung nur auf solche Vollstreckungsmaßnahmen beziehe, die noch nicht durchgeführt worden seien. Dem Wortlaut des Schreibens lasse sich jedenfalls nicht entnehmen, dass bereits vor dem 19.03.2020 ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen – wie von der Steuerschuldnerin begehrt – wieder aufgehoben oder rückabgewickelt werden müssten.

Diese Erwägungen gelten auch für inländische Sachverhalte, in denen der Vollstreckungsschuldner in Deutschland ansässig und mit der Zahlung von deutschen Steuern säumig geworden ist.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. Juli 2020 – VII B 73/20 (AdV)

  1. Hessisches FG , Beschluss vom 19.05.2020 – 4 V 540/20 []